Projekt-Beschreibung
Video „I am I am not“ (2012)
Video & Music Thomas Riess
Der kreative Prozess der Bildwerdung kann in Grafik und Malerei vom Betrachter nur erahnt werden, er sieht in erster Linie nur das statische „Endprodukt“. Das Videos „I am I am not“ ist ein künstlerischer Versuch, den malerisch-zeichnerischen Prozess sichtbar zu machen. „I am I am not“ etwa besteht aus 2730 Einzelfotos, angefertigt in rund zwei Monaten und zu einer rhythmischen Abfolge montiert. Das Video lässt tief in die Gedankenwelt des Künstlers blicken: Ungefiltert legt Riess offen, wie er ein Bild aufbaut und bearbeitet, eine Collage einsetzt oder diese auch wieder übermalt. Es ist selten, dass ein Künstler den Betrachter so bereitwillig über die Schulter schauen lässt. Man sollte die Videoarbeit aber nicht mit einer Dokumentation verwechseln. Der Akt des künstlerischen Tuns wird hier zum Kunstwerk erklärt: Das Video kennt keinen Anfang und kein Ende, es gibt nicht das fertige Werk und den Weg dorthin, sondern sich ständig wandelnde, immer wieder neu entstehende und übermalte Zeichnungen und Collagen. „Spannend und herausfordernd an dieser Art des Arbeitens ist“, so der Künstler, „dass man kein Konzept vorbereiten kann, sondern spontan auf das Vorgefundene reagieren muss“. Die Folge ist, dass es keine geschlossene Erzählung gibt bzw. geben kann, narrative Elemente tauchen zwar auf, sie werden aber nicht konsequent verfolgt. Auch wenn man als Betrachter nicht alle Bilder in den Videos verstehen oder entschlüsseln kann (und das wohl auch nicht soll, macht doch oft gerade die Rätselhaftigkeit den Reiz eines Kunstwerkes aus), der poetisch melancholischen Bildersprache kann man sich kaum entziehen. Zitate aus der Film- und Popkultur (z.B. die „Anonymous“-Maske) mischen sich mit kunsthistorischen Verweisen („memento mori“-Motiv) zu einer kritischen Selbstbeschau des Menschen, einer existenziellen Auseinandersetzung mit Veränderung und Vergänglichkeit, mit Auslöschung und Wiedergeburt. Es fällt angenehm auf, dass sich Riess in seiner Arbeit gerne des Humors und der Ironie (wie auch einer comicartigen Sprache) bedient, und damit nicht dem Missverständnis Glauben schenkt, Kunst müsse todernst sein, da der Witz auf Kosten des Tiefgangs gehe. Sein fantastisch surrealer Bilderkosmos strotzt vor komischen und skurrilen, aber auch grotesken und sonderbaren Einfällen. Und so tauchen wir in den Videos völlig in Welt des Künstlers ein – einer Welt, die als eine Selbstvergewisserung seines kreativen Prozesses gelesen werden kann, aber auch als Versuch, die dafür aufgewendete Zeit zeichnerisch einzufangen und festzuhalten.